SALZBURGER ADVENTSINGEN 2025: Jubiläums-Edition mit vielen Neuheiten

26.11.2025

Comeback einer Uraufführung

Salzburger Adventsingen 2025 (c) Salzburger Adventsingen / Neumayr
Salzburger Adventsingen 2025

Zwei Tage vor der Premiere von „Der blinde Hirte“ präsentierte heute das Leading Team des Salzburger Adventsingens 2025 das neue Stück.

Zehn intensive Probentage liegen hinter dem Team des Salzburger Adventsingens – einer Produktion, die als einzige Großveranstaltung im Großen Festspielhaus vor dem „eisernen Vorhang“, dem größten seiner Art weltweit, stattfindet. Die besondere Architektur des Hauses, die aus jedem Sitzplatz einen anderen Blick eröffnet, stellt Regie, Licht und Akustik vor außergewöhnliche Herausforderungen. Lichtmeister Hubert Schwaiger arbeitet dafür mit großer Präzision, während neue Line-Arrays erstmals ein brillantes, raumfüllendes Klangerlebnis ermöglichen. „Heute können wir ein viel intensiveres Hörerlebnis bieten als vor zwanzig Jahren“, sagt Gesamtleiter Hans Köhl. „Damals war ein Mikrofon im Großen Festspielhaus noch verpönt – heute ist alles anders.“ 

Mit „Der blinde Hirte“ kehrt ein Werk zurück, das 2017 uraufgeführt wurde – und das nun, in neuer Form, neue Perspektiven eröffnet. Köhl beschreibt die Titelfigur als lebendige Inspirationsquelle: „Wenn man jemanden vor Augen hat – ich kannte früher selbst einen Hirten, der blind war –, schreibt man automatisch Gefühle und Erinnerungen hinein.“ Die Figur der Wirtin – reich, verbittert, vom Leben gezeichnet – steht dem blinden Hirten als Gegenbild gegenüber: blind im Inneren, wo er blind im Äußeren ist. Das Stück selbst entzieht sich Zeit und Ort und erzählt universelle, menschliche Geschichten.

 

Starke Figuren und neue Blickwinkel

Für die Rolle des blinden Hirten kehrt Edwin Hochmuth zurück, dessen Darstellung trotz völliger Sehkraft glaubhaft den inneren Weg eines Blinden vermittelt. „Ohne ihn kann ich mir den Hirten gar nicht mehr vorstellen“, betont Köhl. Der Hirte sei bewusst nicht als alter Mann angelegt – er müsse Emotionen transportieren, ohne körperliche Überzeichnung. Heuer werden zudem viele Hirtenkinder auf der Bühne stehen – ein Zeichen des Jubiläums „75 Jahre Salzburger Hirtenkinder“. 

Auch Maria erhält in der Interpretation von Eva Maria Schinwald eine neue, moderne Prägung. Anders als im Vorjahr hält sie sich stärker zurück, wartet auf einem Stein, anstatt Josef bei der Herbergssuche zu begleiten. „Für mich lebt Maria eine sehr partnerschaftliche Beziehung“, sagt die Solistin. „Sie darf eigene Positionen vertreten und hat ein tiefes Urvertrauen, aus dem sie Kraft schöpft.“ Besonders eindrucksvoll sei jener Moment, in dem Maria und Josef gemeinsam im Zentrum der Bühne stehen: Er ringt mit dem System, sie erinnert an die guten Mächte, die tragen. Sie verrät augenzwinkernd, warum aus ihrer Sicht, das Zusammenspiel so gut gelingt: „Ich fragte mich: Warum ist Herbert Böck so gut?! Sein Geheimnis ist: Egal welchen Komponisten er dirigiert, er nimmt jede einzelne Note ernst.“

Ein neues Gesicht gibt es in der Rolle des Josef. Für den Salzburger Solisten Johannes Forster geht damit ein Jugendtraum in Erfüllung. „Ich bin mit dem Salzburger Adventsingen aufgewachsen – jetzt selbst auf dieser Bühne zu stehen, ist etwas Besonderes.“ Gemeinsam mit der Regie wurde sein traditionelles Josef-Bild aufgebrochen: „Er darf fühlen, darf verletzlich sein. Er muss kein konservatives Mannsbild erfüllen.“ Und zu seinem Debüt meint er: „Nervosität ist zwar gegeben, aber die blende ich sehr erfolgreich aus."

 

Musik als emotionale Sprache

Komponist Shane Woodborne prägte heuer das musikalische Fundament mit neuen liturgischen und traditionellen Elementen. In enger Abstimmung mit Hans Köhl entstanden Werke wie ein neu gesetztes Magnificat oder die „Verkündigung an Josef“, die sich von Sprechgesang zu meditativer Klangfülle wandelt. „Musik ist für mich eine starke emotionale Sprache“, betont Woodborne. „Sie führt aus der Dunkelheit ins Licht.“ Der Chor – für Woodborne „das schönste Instrument“ – bildet dabei das Herzstück des Klangkörpers, den Böck seit 25 Jahren präzise formt. „Ich finde es großartig, dass Shane Woodborne bei jeder Probe dabei war und immer mit mir direkt abgestimmt hat, wie er die Stücke umgesetzt haben möchte.. Das sehe ich als Luxus. Normalerweise gibt es ein Spannungsverhältnis – der Dirigent hat Angst vorm Komponisten und umgekehrt"


Engel, Wirtin und die Kraft der Mitmenschlichkeit

Elisabeth Eder-Marböck verkörpert seit 2018 den Engel – heuer mit neuer, menschlicherer Note: „ Es gibt einen Durchgang im Bühnenbild, der wie eine Verbindung zwischen der irdischen und der spirituellen Welt fungiert. Der Engel fungiert als Verbindung zwischen den Welten und tritt auch auf derselben spielerischen Ebene wie Josef und Maria auf. Der Engel nimmt dadurch auch etwas Irdisches an.“ 

Die Wirtin – gespielt von Marcella Wieland – ist eine kurze, aber eindrucksvolle Rolle. „Sie ist vom Leben gezeichnet, hat ihr Herz verschlossen. Während der Hirte physisch blind ist, ist sie es im Herzen“, sagt Wieland. Die Figur erinnere daran, in einer zunehmend ich-bezogenen Gesellschaft wieder stärker ins Wir zu finden.

 

Bühne, Kostüme und Teamarbeit

Das Bühnenbild von Andreas Ivancsics entsteht heuer mit sichtbarer Handschrift: eine schmale, aber wirkungsvolle Spielfläche, von Hand bemalt, teils mit der Kettensäge geformt, in nur drei Tagen aufgebaut. Die Kostüme von Brigitte Schiebler führen vom Vorjahr aus der Wüste, in der barfuß gespielt wurde, in die steinige Hochfläche: schwere Schuhe, dicke Stoffe, altes Leinen, rote Wildseide für Maria und eine in kräftigem Orange gekleidete Wirtin – fein abgestimmt auf Bühne und Licht.

Regisseurin Gerda Gratzer beschreibt ihren Zugang zur  Inszenierung als „Musik sichtbar machen“. Für sie erzählt die Musik selbst die Geschichte – die Figuren, ihre Beziehungen und inneren Kämpfe formen sich aus dem Klang heraus. „Wir haben drei Proberäume: zuerst auf der Loferer Alm, dann im Saal der Volkskultur, wo ich sehr abstrakt die Räume entwickeln muss. Anschließend muss im Großen Festspielhaus alles recht schnell adaptiert werden. Der blinde Hirte bewegt sich zwar im Steinernen, aber er spürt im Inneren den Hintergrund der Kraft. Das harte Leben wird durch die Wirtin, eine wilde Frau repräsentiert, sie braucht auch gar keinen Mann, und passt genau in diese Welt hinein. Maria ist sehr empanzipiert und stark, im Leben stehend, mit Bodenhaftung. Josef hat eine Fürsorglichkeit, Verletzbarkeit, aber auch Stärke. Er ist schöne Verkörperung der Männlichkeit –ohne Macho-Gehabe und Narzissmus."

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