Vielfalt statt Patente

30.09.2017

Natur als Erfindung – die Privatisierung der natürlichen Vielfalt

Feldgespräch (c) wildbild
Expertentalk in Wildshut

In der Gesprächsreihe „Wildshuter Feldgespräche“ stand kürzlich das Thema „Vielfalt statt Patente“ auf dem Programm. Unter anderem diskutierten der Präsident des Forum Alpbach Franz Fischler, die Arche Noah-Geschäftsführerin Beate Koller, der Saatgut Austria-Obmann Michael Gohn, der Autor und Bio-Pionier Georg Schweisfurth und Stiegl-Chefbraumeister Christian Pöpperl über die drohende Privatisierung der natürlichen Vielfalt an Nutzpflanzen und –tieren durch die Industrie.

Konkreter Anlassfall sind die von den beiden internationalen Braukonzernen Carlsberg und Heineken (dazu gehört auch die Brau Union Österreich) eingebrachten Patente auf konventionell gezüchtete Braugerste und ihre braubeschleunigenden Eigenschaften. Das Problem dabei: Die Patente erstrecken sich auf alle Braugersten, die diese patentieren Eigenschaften haben, kurzum auf alle Produkte daraus wie Malz, Bier andere Getränke und Produkte, die aus Gerste mit den patentierten Eigenschaften hergestellt werden. Das bedeutet wiederum, dass Heineken und Carlsberg exklusive Rechte auf Eigenschaften, die aus der Natur stammen haben. Andere Brauer dürfen diese Eigenschaften dann nicht nutzen, und auch andere Züchter nicht, um neue - etwa bessere - Sorten zu entwickeln. Im Gesetz gibt es eine Ausnahme für Landwirte, die zufällig patentierte Pflanzen anbauen.

„Eine solche Ausnahme gibt es aber nicht für Unternehmen, die unabsichtlich patentierte Pflanzen verwerten. Es ist allerdings nicht immer gleich erkennbar, ob Braugerste unter ein Patent fällt. Gerste kommt ja nicht mit einem Patente-Stempel“, sieht die Arche Noah-Geschäftsführerin Beate Koller die Problematik und ergänzt, dass durch die von den Braukonzernen eingereichten Patente für andere Brauereien neben dem Wettbewerbsnachteil auch zusätzlich noch eine rechtliche Unsicherheit entstehen lasse bzw. die internationalen Biermultis ein weiteres Werkzeug gegen Kleinbrauer in ihrem Koffer haben. Und Koller betont weiter, dass diese Gefahr für alle Branchen der Lebensmittel- und Getränkeindustrie gelte.

„Je mehr Gersten-Eigenschaften patentiert werden, desto weniger genetische Vielfalt wird den Privatbrauern zur Verfügung stehen. Da es wohl wirtschaftlich interessante Eigenschaften sind, die patentiert werden, wird die ‚beste‘ Gerste am Ende nur den Großkonzernen vorbeihalten sein. Und: Die internationalen Braukonzerne haben ja auch von der Züchtungsarbeit früherer Generationen profitiert, um diese Braugerste zu entwickeln“, so Christian Pöpperl, Chefbraumeister der führenden Privatbrauerei Österreichs, der Stieglbrauerei zu Salzburg, für den diese Patente eine bedrohliche Trendwende im Umgang mit Rohstoffen darstellen.

Kritisch, aber nicht so dramatisch sieht die Situation der Obmann des Verbands Saatgut Austria, Michael Gohn. Er begrüßt die Entscheidung „als einen Schritt zu mehr Rechtssicherheit für Züchter, Landwirte und Unternehmen in der weiteren Wertschöpfungskette sowie einer Stärkung des Sortenschutzes. Mit dem Passus, dass im Wesentlichen biologische Züchtungsprozesse von der Patentierbarkeit ausgeschlossen sind, wird eine langjährige Forderung von Saatgut Austria umgesetzt. Doch wir müssen auch ehrlich sagen: Es bleiben weiterhin einige rechtliche Graubereiche bestehen, etwa die Patentierbarkeit von im Wesentlichen nicht biologischen Verfahren. Diese sollten aus unserer Sicht im Zuge der Fortführung der Verhandlungen noch beseitigt werden. Die Entscheidung des Europäischen Patentamts vom Juni 2017 ist also ein erster Schritt in die richtige Richtung, dem weitere Schritte für mehr Rechtssicherheit und eine klare Unterscheidung zwischen Patent- und Sortenschutz folgen müssen.“

Franz Fischler, Präsident des Europäischen Forum Alpbach und ehemaliger EU-Landwirtschaftskommissar, merkt dazu an: „Neuzüchtungen von Nutzpflanzen unterliegen ohnedies dem Sortenschutz und dieser ist völlig ausreichend um die geistigen Eigentumsrechte des Züchters zu schützen. Eine zusätzliche Patentierung der Zuchtmethode ist grundsätzlich abzulehnen, weil es völlig inakzeptabel ist, dass Saatzuchtfirmen eine Monopolisierung der Pflanzenzucht zugestanden wird. Abgesehen davon wäre es angesichts des wachsenden Klimawandels fatal zuzulassen, dass die genetische Vielfalt unnotwendigerweise eingeengt würde.“

„Die fortschreitende Monopolisierung wird zu einer weiteren Verarmung an Genuss und Vielfalt führen. Das kann nicht im Sinne der Menschen sein, die eine intakte schöne Welt haben wollen. Vielfalt und die stabile Symbiose der Pflanzen und Tiere ist die Grundlage unserer Gesundheit. Eine Steppe der Eintönigkeit kann nicht gesund sein. Es ist wie das Abtöten von Bakterien in Lebensmitteln. Das Gleichgewicht ist dahin und es entstehen Krankheiten“, bricht Bio-Pionier und Autor Georg Schweisfurth eine Lanze für die Vielfalt.

 

 

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