Festspielreden 2011 – Reden der verpassten Chancen

28.07.2011

Viel geredet wenig Konkretes gesagt (c) M. Siebinger
Eröffnung Felsenreitschule

35 Spieltage, 242 Veranstaltungen und 13 Spielstätten das sind die Eckdaten der Salzburger Festspiele 2011. „Das Ohr aufwecken, die Augen, das menschliche Denken“  so lautet das Motto der diesjährigen Festspiele. Der nicht ganz runde Satz weckt wohl eher Erinnerungen an die Pisa-Studie, als seinen eigentlichen Schöpfer Luigi Nono.  Nach dem peinlichen Ein- und Ausladungsgeplänkel um Jean Zieglern wurde Joachim Gauck als letztlich auserkorener Festredner mit Spannung erwartet.

Es war allerdings die Rede der verpassten Chancen. Da wurde zwar viel um das Thema Freiheit herumgeredet. Auch bei den Politkerreden prägten Schlagwörter wie „Bekenntnis zur Freiheit“, „Festigung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“ und „Zynismus der Finanzmärkte“ die Reden.Aktuell wurde nur kurz auf die  tragischen Ereignisse in Norwegen Bezug genommen.

Vergessen war hingegen schon wieder die Atomkatastrophe in Japan. Es wär die perfekte Chance gewesen, sowohl für Spitzenpolitiker als auch für Festredner, den Begriff „Freiheit“ mit „Atomfreiheit“ aufzufrischen. Aber bei diesem Thema wären vielleicht die Damen und Herren unserer Lieblingsnachbarn nicht so ganz „amused“ gewesen. Ganz zu schweigen von einem großen Sponsor der Salzburger Festspiele, für den das Thema Atomenergie momentan wohl eher unbequem ist.

Joachim Gauck wurde 1940 in Rostock als Sohn eines Kapitäns geboren. Nach dem Abitur studierte er Theologie. Von 1965 bis 1990 stand er im Dienst der Ev.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs,die längste Zeit als Pastor in Rostock, wo er im Nebenamt u.a. auch Stadtjugendpastor und später Leiter der Kirchentagsarbeit seiner Landeskirche war. Früh wurde er durch seine offenen und kritischen Worte bekannt.

1989 gehörte Joachim Gauck zu den Mitbegründern des „Neuen Forum“, dessen Sprecher er in seiner Heimatstadt wurde. Im Herbst 1989 war er Mitinitiator des kirchlichen und öffentlichen Widerstandes gegen die SED-Diktatur. Er leitete wöchentliche Abendgottesdienste, aus denen sich machtvolle Protestdemonstrationen entwickelten, die auch in Rostock das DDR-Regime beendeten.

Im März 1990 zog er als Abgeordneter der Bürgerbewegungen, die sich im Bündnis 90 zusammengeschlossen hatten, in die zum ersten Mal frei gewählte Volkskammer ein und wurde zum Vorsitzenden des Parlamentarischen Sonderausschusses zur Kontrolle der Auflösung des MfS (Ministerium für Staatssicherheit) gewählt. Nach Wahl durch die Volkskammer wurde Joachim Gauck am 3.Oktober 1990 vom Bundespräsidenten und Bundeskanzler zum „Sonderbeauftragten der Bundesregierung für die personenbezogenen Unterlagen des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes“ berufen, nach Verabschiedung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes des Deutschen Bundestages Ende 1991 war er „Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik“ mit Dienstsitz in Berlin. Am 21.September 1995, vom Deutschen Bundestag mit deutlicher Mehrheit wiedergewählt, wurde er zum 3. Oktober 1995 für eine zweite Amtsperiode berufen, die am 2. Oktober 2000 endete. Eine weitere Amtszeit war nach dem Gesetz nicht möglich.

Seit November 2003 ist er als Nachfolger von Hans Koschnick Bundesvorsitzender der Vereinigung „Gegen Vergessen – Für Demokratie“.

Großes Aufsehen erregte im Juni 2010 seine Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten.

Für Festredner Dr. Joachim Gauck ist das heutige Europa "das nicht vollkommene, aber lernfähige System aus Freiheit, den Menschen- und Bürgerrechten, der Herrschaft des Rechts und einer so neuen wie erstaunlichen Friedenswilligkeit". Nicht nur in der dunklen Vergangenheit, sondern im heutigen Europa brauche es Menschen, die im Sinne des heurigen Festspiel-Mottos mit aufgeweckten Sinnen und erwecktem Verstand reagieren. "Nicht Angst oder Angststrategien werden Europa retten, sondern ermächtigtes Handeln von Menschen, die sich für zuständig erklären – ganz normale Menschen und die Künstler, die wir bewundern."

Deshalb gehören Mozart und das Salzburg der Künste und Künstler in das Zentrum Europas, so Gauck weiter. "Weil hier Menschen lernen und leben, dass nicht die Mängel und Defizite, die Neurosen und Probleme das Wesen unserer Gesellschaft ausmachen, sondern die Freude an der Freiheit und der Verantwortung." In Salzburg und bei den Festspielen gebe es "Menschen, die Fantasie, Energie und Geld aufbringen, um ins Bewusstsein zu bringen, was uns auf die Spur des Überlebens zurückruft".

In der Festrede ging der ehemalige DDR-Bürger Joachim Gauck auch ausführlich auf die Zeit des Kommunismus in den ehemaligen Ostblock-Ländern ein.

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